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corporAID MagazinP.B.B. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN 13Z039704 MAUSGABE 48 Õ NOVEMBER | DEZEMBER 2013corporAID ist eine Initiative vonWeltbank Wien: Der neue Blick nach Südosten Wie man Gutes tut und dabei auch Geld verdient:Social Impact Investing Christian Kern, CEO der ÖBB, will eine „einfachere Bahn“Die Mittelschicht wächst weltweit. Doch Wohlstandsmessung – wer warum zur Middle Class der Welt oder eines Landes zählt – ist eine Defi nitionsfrage. Sicher scheint: Wer ein Auto hat, ist immer dabei.Globale MittelschichtDAS ÖSTERREICHISCHE MAGAZIN FÜR WIRTSCHAFT, ENTWICKLUNG UND GLOBALE VERANTWORTUNGwirtschaftsblatt.at/wiblattSeit 18 Jahren die Zeitung für Österreichs Top-Entscheider.Klare Fakten. Klare Entscheidung.Unsere Auflage ist begrenzt,auf die, die in diesem Land etwas zu sagen haben.Auch wenn das Budget 2014 später als sonst beschlossen wird, ist so früh wie immer klar, dass die Entwicklungs-hilfe nur eine Verschubmasse bleiben wird. Vor allem für jene Mittel, über deren Einsatz Österreich selbst entscheiden kann, wird es darum gehen, wie hoch die Kürzungen am Ende ausfallen werden. Um die Frage nach dem Beitrag Österreichs zu einer nachhal-tigen globalen Entwicklung geht es hierzulande im poli-tischen Diskurs bestenfalls in Überschriften, nicht aber in realpolitischer Hinsicht. Denn hier ginge es um die Formulierung von Interessen, die wir mit unserer Entwick-lungspolitik verfolgen. Und es stellt sich auch die Frage, wie die Synergien zwischen Außenwirtschaft und Entwick-lungszusammenarbeit besser genutzt werden können, um unterm Strich sowohl mehr für die globale Entwicklung als auch für die heimische Wirt-schaft zu erreichen. Lesen Sie ab Seite 16, was Martin Ledol-ter, der neue Geschäftsführer der Österreichischen Ent-wicklungsagentur ADA, dazu bewegen möchte. Ein vielver-sprechendes Praxisbeispiel zu Wirtschaft und Entwicklung fi nden Sie ab Seite 44. Eine anregende Lektüre!EditorialBERNHARD WEBERWirtschaft gestaltet Globalisierung.Und damit die Welt von morgen.Unternehmen schaffen Wohlstand.Und damit die Basis für Entwicklung.corporAID bewegt Unternehmen.Damit globale Armut von gestern wird.Unternehmen unterstützen corporAID:corporAID Magazin November | Dezember 201303IMPRESSUM Medieninhaber: ICEP Wirtschaft & Entwicklung GmbH, Möllwaldplatz 5, 1040 Wien, Tel. 01-9690254, offi ce@corporaid.at, www.corporaid.atHerausgeber: Bernhard Weber | Chefredakteur: Christoph Eder Chef vom Dienst: Harald Klöckl | Grafi k: Mihai M. MitreaRedaktion: Barbara Coudenhove-Kalergi, Philipp Drexler, Katharina Kainz-Traxler, Ursula WeberAnzeigen: Elisabetta De Luca Bossa, e.deluca@icep.atDruck: Styria GmbH & Co KG; Aufl age: 40.000 StückAbobestellung: abo@corporaid.atBLATTLINIE Als von politischen Parteien, Interessensvertretungen und Institutionen un-abhängige Initiative vertritt corporAID die Auffassung, dass wirtschaftliche Entwicklung eine entscheidende Grundlage von Armutsminderung und daher Globalisierung eine Chance für globale Entwicklung ist. Das corporAID Magazin möchte für globale Armutsbe-kämpfung etwas bewegen, indem es fundiert und sachgerecht zentrale Fragestellungen der Globalisierung für Wirtschaft und Gesellschaft beleuchtet, zum Verstehen des Zusam-menwirkens von Wirtschaft und Entwicklung beiträgt und die mit einer nachhaltigen Ge-staltung der Globalisierung verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Chan-cen in den Horizont der österreichischen Wirtschaft rückt. corporAID bekennt sich zu den Grundsätzen der Meinungsfreiheit, der sozialen Gerechtigkeit, der öko-sozialen Markt-wirtschaft, des gegenseitigen Respekts sowie der Eigenverantwortung des Menschen.Die Ausgabe Jänner | Feber 2014 des corporAID Magazins erscheint am 19.12.2013 im WirtschaftsBlatt.EINE INITIATIVE VONGEFÖRDERT VONCOVERFOTO: ANDREY ARMYAGOV|SHUTTERSTOCK.COMwww.visionmicrofinance.comwww.c-quadrat.atGeld anlegen. Und Gutes tun.Der Dual Return Fund – Vision Microfi nance ermöglicht Kleinstunternehmern einen Zugang zu Kleinkrediten und Anlegern nachhaltige Renditen. Bis heute bekamen so mehr als eine Million Menschen auf der ganzen Welt die Chance, ihr eigenes Business zu starten und damit die Armutsfalle zu durchbrechen. Legen Sie Ihr Geld an und tun Sie gleichzeitig Gutes. Mehr zum Dual Return Fund – Vision Microfinance bei Ihrer Bank oder Ihrem Anlageberater. Performanceergebnisse lassen keine Rückschlüsse auf die Entwicklung eines Investmentfonds zu und garantieren keine gleiche oder ähnliche Performance für die Zukunft. Jede Kapitalveranlagung ist mit einem Risiko verbunden. Kurse können steigen und fallen. Ausgabe- und Rücknahmespesen sind in der Berechnung der Performanceergebnisse nicht berücksichtigt. Die Performance wurde unter Anwendung der Berechnungsmethode der OeKB berechnet. Berechnungsquelle: Cyberfinancials Datenkommunikation GmbH. Diese Marketingmittelung dient ausschließlich der Information und ist weder Angebot noch Aufforderung zum Kauf/Verkauf von Fondsanteilen. Diese Information ersetzt nicht die Beratung durch Ihren Anlageberater. Grundlage für den Kauf von Investmentanteilen sind der Jahresbericht/Halbjahresbericht, das Kundeninformationsdokument („KID“) und der aktuelle Verkaufsprospekt, die unter www.absolutepm.at kostenlos abrufbar sind. Den Ausgabeaufschlag kann Ihre Bank oder Ihr Vermittler erhalten. Die Verwaltungsvergütung kann eine Vertriebsprovision beinhalten, die Ihre Bank oder Ihr Vermittler ggf. teilweise erhält. Stand Oktober 2013INTERVIEW MIT CHRISTIAN KERN Die Bahn muss einfacher werdenLEITARTIKEL TERMINE & NACHLESEglobal.businessWOHLSTANDSMESSUNG Die Mythen von der MittelklasseÖSTERREICHISCHE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT Martin LedolterENTWICKLUNG DURCH DIVERSIFIZIERUNG ... und nun zu etwas ganz anderem.new.businessBRICS FORUM Acht Schätze auf der SpeisekarteFINANCIAL INCLUSION Der Kunde im FokusSTANDORT WIEN World Bank Vienna: Blick nach Südostenethical.businessGOOD PRACTICE Wer Österreich bewegtCSR PRAXIS Schlüsselfaktor Stakeholder I INTERVIEW mit John J. AstonSOCIAL IMPACT INVESTING Der Erfolg zählt doppelt I INTERVIEW mit Ulrich Grabenwarter, EIFADA-WIRTSCHAFTSPARTNERSCHAFT Employability am Standort steigernInhalt 6104611121620232427303334364044630Neue Perspektiven im Abo.EINE INITIATIVE VONBestellung unter Tel. 01/9690254 oder E-Mail abo@corporaid.atBusiness-Abo 5 5 Stück pro Ausgabe ein Jahr lang* um nur 60,– Business-Abo 10 10 Stück pro Ausgabe ein Jahr lang* um nur 75,– Business-Abo 25 25 Stück pro Ausgabe ein Jahr lang* um nur 100,– * Das corporAID Magazin erscheint 6 Mal pro Jahr. Sie erhalten jeweils 5, 10 oder 25 Stück pro Ausgabe druckfrisch zugesendet. Das Business-Abo beginnt mit der jeweils nächsten Ausgabe und endet automatisch nach einem Jahr – Sie gehen keine weiteren Verpfl ichtungen ein. Preise in Euro exklusive Mehrwertsteuer.AID MagazinP.B.B. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN 13Z039704 MAUSGABE 47 Õ SEPTEMBER | OKTOBER 2013Nischenthema Entwicklungspolitik: Was Parteien wollenHidden Champions: Unbekannt daheim, top in Emerging MarketsOMV-CEO Gerhard Roiss: Strategie für nachhaltiges Wachstum uss sie haben. corporAID MagazinSPONSORING-POST 04Z035763 SAUSGABE 46 Õ JULI | AUGUST 2013gegen alten Mercosur Sustainability Waagner-Biro-CEO Rudolf Estermann im InterviewDAS ÖSTERREICHISCHE MAGAZIN FÜR WIRTSCHAFT, ENTWICKLUNG UND GLOBALE VERANTWORTUNGcorporAID MagazinSPONSORING-POST 04Z035763 SAUSGABE 45 Õ MAI | JUNI 2013DAS ÖSTERREICHISCHE MAGAZIN FÜR WIRTSCHAFT, ENTWICKLUNG UND GLOBALE VERANTWORTUNGcorporAID MagazinSPONSORING-POST 04Z035763 SAUSGABE 44 Õ MÄRZ | APRIL 2013DAS ÖSTERREICHISCHE MAGAZIN FÜR WIRTSCHAFT, ENTWICKLUNG UND GLOBALE VERANTWORTUNGcorporAID ist eine Initiative vonWie Entwicklungsbanken die Urbanisierung nachhaltig gestaltenVorposten in der weiten Welt: der Job der Wirtschaftsdelegierten RBI-CEO Herbert Stepic im InterviewEnergiewende am Ende – vorläufi g: Kohle bleibt Wachstumsmotor der Entwicklungsländer und wichtigster globaler Stromlieferant, die Reserven sind vielfach größer als bei Öl und Gas. Kohle ist der Dauerbrenner AID MagazinSPONSORING-POST 04Z035763 SAUSGABE 43 Õ JÄNNER | FEBER 2013Wie China und Brasilien Motor der globalen Entwicklung wurdenTechnologie-Transfer: Mit dem BMVIT in neue MärkteRHI-CEO Franz Struzl im InterviewAID DAS ÖSTERREICHISCHE MAGAZIN FÜR WIRTSCHAFT, Auf nur 1 Prozent der weltweit agrarisch genutzten Fläche „wächst“ Biosprit.Dennoch gilt er als mitverantwortlich für Hunger, Umweltzerstörung und Landraub. In Entwicklungsländern boomt die Produktion, Europa bremst.Biosprit-ParadoxoncorporAID ist eine Initiative vonMehr Verantwortung, mehr Druck auf die Politik: 15 Jahre CSRNeue Märkte: Unterstützung in Rot-Weiß-RotSemperit-CEO Thomas Fahnemann im Interview4020Das corporAID Magazin eröffnet neue Sichtweisen auf die Chancen und Herausforderungen der Globalisierung für Wirtschaft und Gesellschaft. Das Magazin für Entscheider und Führungskräfte mit Weitblick – jetzt im praktischen Business-Abo für das ganze Unternehmen.06corporAID MagazinNovember | Dezember 201FOTOS: PETRIT RRAHMANI / EUROPEAN FORUM ALPBACHCHRISTIAN KERN Der 1966 geborene Wiener studierte Publizistik an der Universität Wien und absolvierte eine postgraduale Ausbildung am Management Zentrum in St. Gallen. Kern arbeitete als Wirtschaftsjournalist, dann als Büroleiter des SPÖ-Klubobmanns im Parlament. 1997 wechselte er als Assistent des Vorstands in die Verbund AG. Im Jahr 2000 wurde Kern Leiter des Verbund-Stromhandels, zwei Jahre später wechselte er an die Spitze der Austrian Power Trading. 2007 wurde er in den Vorstand der Verbund AG berufen. Seit Juni 2010 ist Kern Vorstandsvorsitzender der ÖBB-Holding AG.CORPORAID: Internationalisie-rung und Globalisierung sind in Österreich mitunter negativ besetzt. Warum ist das so?CHRISTIAN KERN: Die Globalisie-rung muss für alle negativen und scheinbar negativen Entwicklungen herhalten – die positiven Auswir-kungen für ein exportorientiertes Land wie Österreich werden dabei unter den Teppich gekehrt. Fakt ist aber, dass das Zeitalter der Globa-lisierung um 1850 unter anderem mit dem Aufbau der kontinentalen Bahnnetze begonnen hat und die internationale und globale Arbeits-teilung seit gut 150 Jahren läuft. In jeder Hinsicht hochentwickelte Staaten wie Österreich könnten ohne globalisierte Wirtschaft ihr Level nicht halten. Aufgabe der Poli-tik ist es, sie so zu gestalten, dass sie Vorteile bringt und nachteilige Auswirkungen vermieden werden.Wie sehen Sie die Rahmen-bedingungen in Österreich für Unternehmen? KERN: Es besteht sicher kein Anlass, unseren Standort krank zu reden, selbst wenn wir zuletzt bei dem einen oder anderen Ranking etwas zurückgefallen sind. Bei aller – teilweise auch berechtigten – Kri-tik: Wir haben – noch – ein Bildungs-system, das ausgezeichnete Absol-venten hervorbringt. Dazu gehören unsere Lehrlinge genauso wie die HTL-Absolventen. Gerade diese bei-den Gruppen verschaffen uns einen Vorsprung vor Ländern, die vor-rangig auf universitäre Ausbildung setzen. Natürlich gibt es einen gewissen Anpassungsbedarf, aber wir müssen uns weder beim Steu-ersystem noch bezüglich unseres Arbeitsrechts verstecken. Und auch beim wiederholt tot gesagten System der Sozialpartnerschaft haben sich immer noch die Pragmatiker gegen die Ideologen durchgesetzt.Wachstum ist derzeit ein heftig diskutiertes Thema. KERN: Das Wirtschaftswachstum in Österreich war in den vergange-nen zwölf Jahren höher als der EU-Schnitt und ich bin der Meinung, dass wir außergewöhnlich gut durch die Krise gekommen sind. Wenn wir uns Prognosen ansehen, dann wird das in den nächsten fünf Jahren so bleiben. Aber wir müssen sehen, dass wir uns global in einem volatilen Umfeld bewegen, das von Unsicherheiten geprägt ist. Die vor-rangige Frage heißt: Wie können wir Wachstum schaffen? Um einen konkreten Bereich anzusprechen, bei dem die Bahn einen Beitrag leis-ten kann: Wir finanzieren unsere Investitionen natürlich mit Fremd-mitteln, aber sie haben kurz- und langfristig einen positiven Effekt auf die Beschäftigung – nicht bei der Bahn, sondern im Bau, bei Zulie-ferern, bei Technologieunterneh-men, also generell für den Standort. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass Wachstum sehr wohl mit Nach-haltigkeit vereinbar ist. Was wir heute in Infrastruktur investieren, ist das Rückgrat unserer Volkswirt-schaft für Generationen. 07Die Bahn muss einfacher werdenInterviewIm Chefsessel der ÖBB konnten in der Vergangenheit wenige Manager brillieren. Christian Kern arbeitet seit drei Jahren am Turn-around. Im Interview spricht er über die Megatrends in der Bahnindustrie, die Bedeutung der Eisenbahn für wirtschaftliche Entwicklung und die Perspektiven für das Staatsunternehmen. DAS GESPRÄCH FÜHRTE BERNHARD WEBER BEIM EUROPÄISCHEN FORUM ALPBACH.Eine Bahn hat neben ihren betriebswirt-schaftlichen Aufgaben eine gesell-schaftliche Verpflichtung. CHRISTIAN KERNcorporAID Magazin November | Dezember 2013Wie sieht Wachstum bei den ÖBB konkret aus? KERN: Wachstum messen wir vor allem an der Zahl der Bahnreisen-den, wo wir durch Qualitätsverbes-serungen signifikante Zuwächse verzeichnen können. Im Jahr 2012 haben wir rund 7 Prozent mehr Fahr-gäste befördert, im ersten Halbjahr 2013 waren es 4 Prozent mehr. Diese Entwicklung ist ein klarer Beleg dafür, dass unsere Investitionen in Bahnhöfe, neue Züge und neue Tras-sen für kürzere Fahrzeiten greifen. Gleichzeitig arbeiten wir an meh-reren Fronten daran, die Kosten zu reduzieren und evaluieren laufend Einsparungspotenziale, beispiels-weise im IT-Bereich, beim Einkauf und in der Verwaltung. So ist es uns in den vergangenen Jahren gelun-gen, die Produktivität um mehr als 20 Prozent zu steigern. Zusätzlich konzentrieren wir uns auf unser Kerngeschäft und haben beispiels-weise einzelne defizitäre Geschäfts-felder im Güterverkehr abgegeben. Was ist Ihr Zugang zu Corporate Social Responsibility (CSR)? KERN: CSR nimmt bei uns allein aus unserer Rolle für die Gesell-schaft einen wichtigen Platz ein. Eine Bahn hat neben ihren betriebs-wirtschaftlichen Aufgaben eine gesellschaftliche Verpflichtung. Unsere Dienstleistungen, die Infra-struktur, die Fahrzeuge – das alles ist auf Langfristigkeit ausgelegt. Wir schaffen neue Verkehrswege, die über Jahrzehnte das Rück-grat der österreichischen ÅInfrastruktur bilden. Wir fahren heute teilweise noch auf den Schie-nen der Monarchie. Deswegen erstellen wir mit unseren Neu- und Ausbauten im wahrsten Sinne des Wortes Werte für Generationen. Unser Geschäftsmodell ist auf den Prinzipien Langfristigkeit, Ökologie und soziale Absicherung aufgebaut, und man kann ruhigen Gewis-sens sagen, dass wir das quer über alle CSR-Säulen zur Anwendung bringen. Wir sind uns auch unserer Ver-antwortung gegenüber den Men-schen in Österreich bewusst. Des-wegen setzen wir auch Dinge um, aus denen sich kein Geschäftsmo-dell entwickeln lässt, beispielsweise den rollstuhlgerechten Ausbau unserer Bahnhöfe und Haltestellen. Wie sehen Sie die Rolle des Staats als Unternehmer? KERN: Der Staat hat sicher zu stel-len, dass wichtige gesellschaftliche Leistungen – und dazu gehört auch der öffentliche Verkehr – im not-wendigen Ausmaß erbracht werden. Über das Ausmaß ist politisch zu entscheiden – wie die Leistungen im Detail erbracht werden, sollte dage-gen eine rein betriebswirtschaftli-che Sachfrage sein. Die ÖBB können im Wettbewerb erfolgreich beste-hen. Das beweisen wir beim Güter-verkehr seit Jahren und in jüngster Zeit auch beim Personenverkehr. Aus dieser Sicht hat sich unser Holding-Modell im EU-Vergleich ausgezeichnet bewährt. Bahn-Privatisierungsmodelle, die als Gegenmodell dazu überzeugende Erfolge liefern würden, liegen uns nicht vor. Großbritannien hat heute die für Steuerzahler und Fahrgäste teuerste Bahn Europas. Schweden und Dänemark plagen sich mit auf-wändigen Ausschreibungen und in Konkurs gegangenen Dumping-Anbietern. Die erfolgreichste Bahn Europas – die schweizerische SBB – ist ein integriertes Bahnunterneh-men im Staatsbesitz. Wie beurteilen Sie die österrei-chische und europäische Struktur-politik im Eisenbahnsektor?KERN: Innerhalb der EU nimmt Österreich derzeit einen Spitzen-platz hinsichtlich der Investitionen in Bahn-Infrastruktur pro Kopf ein. Unser Problem ist eher, dass in vie-len anderen europäischen Ländern zu wenig in den Ausbau der nati-onalen Bahnnetze investiert wird oder sogar das Geld für die laufende Erhaltung fehlt. Wir haben dadurch – insbesondere im Bereich des grenzüberschreitenden Bahn-Güter-verkehrs – teilweise massive Prob-leme. Gleichzeitig werden in diesen Ländern häufi g die Autobahnnetze massiv ausgebaut: 100 Jahre alte Schienen gegen nagelneue Autobah-nen – diesen Wettbewerb kann die Bahn nicht gewinnen. Die Logistikbranche wächst und gewinnt als Rückgrat der Wirtschaft ständig an Bedeutung, der Anteil der Schiene am Modal Split wird in Europa aber immer kleiner. KERN: Österreich ist mit rund 30 Prozent Anteil am Modal Split Europameister. Unsere Antwort auf die wachsenden Warenströme zwi-schen Ost und West liegt in der Leis-tungsfähigkeit der hochrangigen Schieneninfrastruktur und in unse-ren Mehrstromlokomotiven. Schon heute nützen wir die geostrategisch günstige Lage Österreichs, um die Märkte Osteuropas zu erschließen. Wir wollen den Verkehr auch über Grenzen hinweg abwickeln, sicher und umweltfreundlich.Wo sehen Sie andere Megatrends im Eisenbahnsektor?KERN: Generell gilt: Bahnfah-ren muss einfacher werden. Daran arbeiten wir intensiv. Im Perso-nenverkehr machen wir sehr gute Fortschritte, indem wir Bahn-höfe für Eltern mit Kinderwägen, Rollstuhlfahrer und für ältere, gebrechliche Personen leichter benutzbar machen, Tarife vereinfa-chen, Buchungsmöglichkeiten über Internet und Handy anbieten. Beim Güterverkehr können wir noch besser werden, allerdings liegt hier einiges nicht in unserem Einfl ussbereich, wir stehen hier vor europäischen Herausforderun-gen. Es ist sehr einfach, mit einem Fracht-LKW von Florenz nach Ham-burg zu fahren, gleichzeitig gibt es enorme bürokratische Heraus-forderungen auf derselben Strecke für einen Güterzug. Hier sind wir gemeinsam mit anderen europäi-schen Bahnen und Bahnbetreibern aktiv, damit die Bahn im Wettbe-werb mit der Straße nicht länger benachteiligt wird. Wie sehen Sie die ÖBB für die Zukunft aufgestellt?KERN: Wir sind mit unserem Reformkurs auf einem sehr guten Weg. Wir haben im vergangenen Geschäftsjahr positiv bilanziert – und zwar ein Jahr früher, als ursprünglich geplant. Alle Teilge-sellschaften haben einen positiven Ergebnisbeitrag geleistet. Dennoch wartet beim Ausbau dieser Refor-men noch sehr viel Arbeit auf uns. Ich bin aber sehr zuversichtlich und davon überzeugt, dass das derzeit noch etwas zarte Pfl änzchen „wirt-schaftlich erfolgreiche ÖBB“ in den nächsten 10 Jahren zu einem üppi-gen Baum heranwachsen wird. Welche Rolle messen Sie dem Schienenverkehr für das Vorantrei-ben von Entwicklung insbesondere in Schwellen- und Entwicklungslän-dern zu?KERN: Längerfristig ist Wohl-stand untrennbar mit industrieller Entwicklung verbunden. Ebenso untrennbar ist die Verbindung von Bahn und Industrialisierung. Die heutigen Industriestaaten sind mit und durch die Bahn gewachsen. In den EU-Staaten mit dem höchsten Anteil an Bahn-Güterverkehr hat sich die Industrie vom Einbruch im Jahr 2009 am schnellsten erholt. In den BRICS liegt der Bahn-Anteil des Güterverkehrs zwischen 35 Prozent in Indien und über 90 Prozent in Russland. In allen diesen Ländern sind Bahn-Ausbauten im Gang. In den Megastädten der Schwellen-länder sind U- und S-Bahnnetze 08FOTOS: PETRIT RRAHMANI / EUROPEAN FORUM ALPBACHcorporAID MagazinNovember | Dezember 201IM GESPRÄCH mit Bernhard Weber in Alpbach100 Jahre alte Schienen gegen nagel-neue Auto-bahnen – diesen Wettbewerb kann die Bahn nicht gewinnen.CHRISTIAN KERNdie wichtigste Alternative zum Megastau. In Bangkok lag die mitt-lere Geschwindigkeit des motori-sierten Verkehrs in den 90er Jahren auf einem Rekord-Tief von 5 bis 7 km/h. Heute hat die Stadt etwa 60 Kilometer U- und S-Bahnen und das Netz wird weiter ausgebaut. In etwa 100 chinesischen Großstäd-ten sind U- und S-Bahnnetze in Planung oder im Bau. Durch leis-tungsfähigen Schienennahverkehr vergrößert sich der Einzugsbe-reich für potenzielle Arbeitskräfte. Und mit der effektiven Größe des Arbeitsmarkts steigt nachweislich die Wertschöpfung pro Arbeitsplatz.Worin besteht die größte Heraus-forderung beim Netzausbau?KERN: Die größte Herausforde-rung liegt wie überall in der Finan-zierung von Eisenbahnprojekten. Der Ausbau von Bahninfrastruktur ist nirgendwo billig und rechnet sich – rein betriebswirtschaftlich betrachtet – erst über lange Zeit-räume, was nicht gerade zu einem Run privater Investoren führt. Darü-ber hinaus haben viele Beispiele aus Europa – Stichwort Eurotunnel – gezeigt, dass mit Bahnunternehmen kein schnelles Geld zu verdienen ist.Inwieweit sind die ÖBB ein Leit-betrieb für Unternehmen im inter-nationalen Geschäft? KERN: In puncto Know-how haben die ÖBB viel anzubieten. corporAID Magazin November | Dezember 2013Gemeinsam mit der heimischen Bahnindustrie, deren Versuchsla-bor wir zu einem gewissen Grad sind, sind wir so etwas wie Inno-vationsweltmeister. Deshalb fi nden Sie auch diverse heimische Betriebe auf praktisch jeder Eisenbahnbau-stelle dieser Welt. Neben dem Heim-markt, den die ÖBB den Unterneh-men bieten, ist das sicher einer der Gründe dafür, dass Österreich im Bereich der Bahnindustrie die welt-weit größte Erfi nderdichte hat und auf eine Exportquote von deutlich über 70 Prozent verweisen kann.Das erfolgreiche Zusammenspiel zwischen Bahnindustrie und den ÖBB beginnt übrigens schon im Bereich der Lehrlingsausbildung. Die ÖBB bilden Jahr für Jahr hun-derte junge Männer und immer mehr junge Frauen aus, die dann von den Bahntechnologie-Unterneh-men übernommen werden. Was macht ein Unternehmen in Ihren Augen zukunftsfähig? KERN: Aus meiner Sicht ist ein Unternehmen zukunftsfähig, wenn es erfolgreich und nachhaltig wirt-schaftet und die richtigen Angebote für den Markt bereit hat. Dazu gehört auch, sich geänderten Rahmenbedingungen anzupassen und inno-vative Ideen umzu-setzen, um das Unternehmen weiter zu entwickeln.Durch den Einzug der Eisenbahn in Österreich vor mehr als 175 Jah-ren ist eine Mobilität entstanden, die wir heute für selbstverständ-lich erachten. Die Semmeringbahn, auf der wir heute noch fahren, war damals eines der kühnsten Bau-vorhaben der Welt. Diese Rolle des Pioniers kann die Bahn auch in Zukunft wieder einnehmen. Sie tragen als Manager Verant-wortung für mehr als 40.000 Mit-arbeiter – und sind gleichzeitig mit dem schlechten öffentlichen Image von Managern konfron-tiert. Warum ist das so?KERN: Hier muss man diffe-renzieren zwischen jenen, die täglich harte Arbeit aus einer tatsächlich empfun-denen Verantwortung her-aus leisten, und jenen, die den Job in erster Linie für sich selbst machen. Für Letzteres gab es leider in den vergangenen Jahren immer wieder unrühm-liche Beispiele, das ist natürlich enttäuschend.Ich glaube, dass man in leitenden Funktionen gut beraten ist, ein gewisses Maß an Demut für die in die Hände gelegte Verantwortung an den Tag zu legen. Ich versuche nach Kräften, die ÖBB wieder nach vorne zu bringen, aber es ist mir bewusst, dass wir nur erfolgreich sein werden, wenn wir weiterhin als ein Team arbeiten.Vielen Dank für das Gespräch!09ÖBB-CEO Christian KernDie ÖBB-Holding AG wurde 2004 als strategische Leit-gesellschaft des ÖBB-Konzerns gegründet. Ihre Anteile werden zu 100 Prozent von der Republik Österreich gehalten und vom BMVIT verwaltet. Die Holding ist in die drei Teilkonzerne Personenverkehr, Rail Cargo Austria und Infrastruktur geliedert. Der Bereich Personenver-kehr mit 1,8 Mrd. Euro Umsatz befördert mit Bahn und Bus jährlich 464 Mio. Fahrgäste. Zum Geschäft der Rail Cargo Group mit 2,3 Mrd. Euro Umsatz gehört schienenaffi ne Logistik in 15 Ländern Zentral- und Süd-Ost-Europas mit den Hauptmärkten Österreich und Ungarn. Die Infrastruktur AG mit 2,1 Mrd. Euro Umsatz investiert jedes Jahr (bis 2018) rund 2 Mrd. Euro in Projekte wie den Ausbau des Semmering-Basistunnels und der Koralmbahn sowie in die Bahnhofs-offensive wie die Fertigstellung des Wiener Hauptbahnhofs. Mit 41.600 Mitarbeitern, davon 1.800 Lehrlinge, erzielten die ÖBB 2012 ein Ergebnis vor Steuern von 66,5 Mio. Euro. Mobilitätskonzern ÖBBDAS UNTERNEHMENGemeinsam mit der heimischen Bahnindus-trie, deren Versuchsla-bor wir zu einem ge-wissen Grad sind, sind wir so etwas wie Innovations-weltmeister. CHRISTIAN KERNNext >