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corporAID MagazinP.B.B. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN 13Z039704 MAUSGABE 63 Õ MAI | JUNI 2016corporAID ist eine Initiative vonDuale Ausbildung: Ein Erfolgsmodell geht um die Welt3er Gespräch: Gemeinsam in ferne MärkteAnton Paar-Chef Friedrich Santner: Meister der PräzisionDAS ÖSTERREICHISCHE MAGAZIN FÜR WIRTSCHAFT, ENTWICKLUNG UND GLOBALE VERANTWORTUNGBevölkerungswachstum, Urbanisierung und steigender Wohlstand lassen weltweit die Müllberge wachsen. Vor allem ärmere Länder scheitern an der Herausforderung Abfallmanagement – mit weitreichenden Konsequenzen. Auf dem Weg zur Deponie2,1 Milliarden Euro wurden 2014 in Österreich von den Top-250-Onlineshops mit physischen Waren im Internet umgesetzt.1 Gewinnspielfür WirtschaftsBlatt-Testleser und Abonnenten. Gewinnen Sie Erlesenes aus dem -Shop.3 Wochen gratiskönnen Sie viele weitere interessante Fakten täglich im WirtschaftsBlatt lesen.Nähere Informationen unter 01/514 14 DW 79 oder wirtschaftsblatt.at/gewinnspiel7500 Einzelhandelsunternehmenverkaufen ihre Produkte online – über einen eigenen Onlineshop bzw. über Online-Plattformen.Klare Fakten. Klare Entscheidung.1. PREIS:Ludwig Reiter Navigator Bag aus feinstem Togo-Grain-Leder im Wert von 798 Euro2. PREIS:Maßhemd von Venturini als Gutschein im Wert von 200 Euro*3. PREIS:5 x je ein Gutschein für den Presse-Shop EDITION im Wert von 100 Euro**nicht in bar ablösbarTesten und gewinnenwirtschaftsblatt.at/ gewinnspielDie Wirtschaftskammer fei-erte dieser Tage die Eröffnung der ersten Außenhandelsstelle in Paris vor 70 Jahren und damit den Anfang der Errich-tung eines weltweiten Netz-werks, das mit zu Österreichs Aufstieg zur Exportnation und damit zu unserem Wohlstand erheblich beitrug. Gemein-sames Business fördert auch die gesellschaftliche und soziale Entwicklung – bei allen Beteiligten. Wie die Außen-wirtschaft Austria zukünftig weltweit die Internationali-sierung der österreichischen Wirtschaft vorantreiben will, erfahren Sie im 3er Gespräch ab Seite 27. So erfreulich Wirtschaftswachstum ist, wachsen damit auch die Müll-berge – lesen Sie ab Seite 12, was Länder wie China, Indien, Peru oder Nigeria mit immer mehr Mist machen. Wie die Entwicklungszusammenarbeit der deutschsprachigen Länder das duale Ausbildungskonzept auch außerhalb Europas zum Erfolg machen möchten, dazu ab Seite 16. Im Hauptinterview auf Seite 6: Friedrich Santner vom steirischen Messtechnik-Unternehmen Anton Paar. Eine anregende Lektüre!EditorialBERNHARD WEBERWirtschaft gestaltet Globalisierung.Und damit die Welt von morgen.Unternehmen schaffen Wohlstand.Und damit die Basis für Entwicklung.corporAID bewegt Unternehmen.Damit globale Armut von gestern wird.Unternehmen unterstützen corporAID:corporAID Magazin Mai | Juni 201603IMPRESSUM Medieninhaber: ICEP Wirtschaft & Entwicklung GmbH, Möllwaldplatz 5, 1040 Wien, Tel. 01-9690254, offi ce@corporaid.at, www.corporaid.atHerausgeber: Bernhard Weber | Chefredakteur: Christoph EderGrafi k: Mihai M. MitreaRedaktion: Clemens Coudenhove-Kalergi, Katharina Kainz-Traxler, Sophie Melzer, Melanie Pölzinger, Michael Vysin, Ursula Weber, Gudrun ZimmerlAnzeigen: Nina Bennett, n.bennett@icep.atDruck: Styria GmbH & Co KG; Aufl age: 40.000 StückAbobestellung: abo@corporaid.atBLATTLINIE Als von politischen Parteien, Interessensvertretungen und Institutionen un-abhängige Initiative vertritt corporAID die Auffassung, dass wirtschaftliche Entwicklung eine entscheidende Grundlage von Armutsminderung und daher Globalisierung eine Chance für globale Entwicklung ist. Das corporAID Magazin möchte für globale Armutsbe-kämpfung etwas bewegen, indem es fundiert und sachgerecht zentrale Fragestellungen der Globalisierung für Wirtschaft und Gesellschaft beleuchtet, zum Verstehen des Zusam-menwirkens von Wirtschaft und Entwicklung beiträgt und die mit einer nachhaltigen Ge-staltung der Globalisierung verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Chan-cen in den Horizont der österreichischen Wirtschaft rückt. corporAID bekennt sich zu den Grundsätzen der Meinungsfreiheit, der sozialen Gerechtigkeit, der öko-sozialen Markt-wirtschaft, des gegenseitigen Respekts sowie der Eigenverantwortung des Menschen.Die Ausgabe Juli | August 2016 des corporAID Magazins erscheint am 30.06.2016 im WirtschaftsBlatt.EINE INITIATIVE VONGEFÖRDERT VONWER NACHHALTIG HANDELT, HAT EINEN VOGELVerleihen Sie dieser Anzeige Nachhaltigkeit! Falten Sie daraus einen Schwan!Oder einen Malerhut. Oder was Ihnen sonst noch einfällt. Oder lesen Sie nach,welche Ideen und Lösungen wir zum Thema Nachhaltigkeit und gesellschaftlicheVerantwortung haben. Jetzt in unserem integrierten Geschäftsbericht.Rahofer. PALFINGER AG · 5101 Bergheim, Österreich · E-Mail h.roither@palfi nger.comWWW.PALFINGER.AGInhaltINTERVIEW MIT FRIEDRICH SANTNERWachstum ohne RuhephaseLEITARTIKEL UnösterreichischDIE AKTUELLE ZAHL 401EVENTS IM RÜCKBLICKTERMINE & NACHLESEglobal.businessABFALLMANAGEMENTDie Welt macht zu viel MistENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEITSchulterschluss für duale AusbildungDATEN FÜR ENTWICKLUNGPi mal Daumennew.businessFILMBUSINESS IN AFRIKANollywood 2.0: TV und Web statt DVD3ER GESPRÄCHAppetizer für FernmärkteHIDDEN CHAMPIONEs war einmal ein Klingenschmiedethical.businessGOOD PRACTICE Wer Österreich bewegtCORPORATE VOLUNTEERINGProfi arbeit, ganz ohne RechnungNACHHALTIGE BESCHAFFUNGStandards für StandardsWIRTSCHAFTSPARTNERSCHAFT Autozubehör aus Indonesien 61010404611121620232427303334364144Alle Inhalte fi nden Sie auch auf www.corporAID.atDie Welt macht zu viel Mist Wer konsumiert, macht auch Mist. Rund 1,2 Kilo pro Stadtbewohner und Tag sind es im Schnitt, Tendenz steigend. Das Problem: Die Abfälle von drei Milliarden Menschen werden nicht ordentlich entsorgt. Und das hat schwerwiegende Folgen.12ENTWICKLUNGS-ZUSAMMENARBEIT Schulterschluss für duale AusbildungINTERVIEW MIT FRIEDRICH SANTNER Wachstum ohne Ruhephase05corporAID Magazin Mai | Juni 20163ER GESPRÄCHAppetizer für Fernmärkte61627CORPORAID: Wie sehen Sie die aktuelle Wirtschaftslage?SANTNER: Die weltweite Wirt-schaft befi ndet sich in einer starken Umbruchphase, in der sich die ein-zelnen Regionen sehr unterschied-lich entwickeln. Der Boom in Asien ist noch lange nicht zu Ende, auch wenn China etwas schwächelt. Die USA kommen langsam in Schwung, während mir die Entwicklungslän-der und Europa Sorgen machen. Wir lassen wesentliche Hausaufga-ben unerledigt: Europa hat es nicht geschafft, zu einem Europa zu wer-den. Für unser Unternehmen ist Asien daher weiter die Wachstums-lokomotive, wobei wir in manchen Schwellenländern nach wie vor Probleme haben, da wir mit unserer Hochtechnologie in manchen Län-dern einfach noch zu früh dran sind. Wie läuft es mit den Nieder-lassungen in Brasilien, Mexiko und Südafrika?SANTNER: Brasilien ist ein Sorgenkind mit massiven Rückgän-gen. Einer unserer großen Kunden ist die staatliche Erdölfi rma Petrobras, die durch den Korruptionsskandal extrem unter Druck ist. Da traut sich im Moment niemand, einen Auftrag zu unterschreiben. Mexiko entwickelt sich nach wie vor gut. Das Marktpo-tenzial dort ist riesig, die vielleicht etwas schwächere Konjunktur spielt für uns daher keine große Rolle. Das Tochterunternehmen, das wir vor vier Jahren in Südafrika gegründet 06FOTO: NINA BENNETTWachstum ohne RuhephaseInterviewDer steirische Messgerätehersteller Anton Paar war von Anfang an global ausgerichtet. Wachstumsziele sind für Geschäftsführer Friedrich Santner dabei Nebensache. Sein Geheimrezept für Innovation und nachhaltigen Erfolg ist die richtige Mischung aus neugierigen und verrückten Mitarbeitern. DAS GESPRÄCH FÜHRTE BERNHARD WEBER.haben, kümmert sich um ganz Sub-sahara-Afrika. Wir erwägen von Zeit zu Zeit, auch in Nairobi ein Büro auf-zumachen. Bei näherem Hinsehen kommen wir aber immer wieder zu dem Schluss, dass es dafür noch zu früh ist. Was verbinden Sie mit dem Begriff Globalisierung?SANTNER: Mit dem Einzug und der Entwicklung von Elektronik in den 1950er und 60er Jahren ist in der Messtechnik ein unheimlicher Boom entstanden. Die klassische Waage wurde durch viel präzisere und bedienungsfreundlichere Mess-geräte ersetzt. Es herrschte eine richtige Goldgräberstimmung in der Branche: Es wurden neue Verfah-ren für die Messung physikalischer Parameter und neue Analyseme-thoden für die Chemie entwickelt. Anton Paar bewegte sich dabei von Anfang an in winzigen Nischen. Das erste von uns produzierte Messge-rät war eine Anlage zur Messung der Röntgen-Kleinwinkelstreuung. In Österreich wird so eine Anlage vielleicht alle zehn Jahre einmal auf-gestellt, weltweit sind es immerhin etwa 60 Stück im Jahr, wovon ein Drittel von uns hergestellt wird. Wir waren daher von Anfang an interna-tional ausgerichtet, mit einer Export-quote von mehr als 90 Prozent. Die Globalisierung hat durch den Abbau von Handelshemmnissen unsere Arbeit extrem erleichtert. Die Bürokratie und die Zollprüfungen, die man über sich ergehen lassen musste, lediglich um etwa Messge-räte nach München auf eine Messe zu bringen, sind heute nicht mehr vorstellbar. Das sind sehr positive Effekte der Globalisierung. Aller-dings ist dadurch die Gestaltungs-macht der Politik in einem beträcht-lichen Ausmaß zur Wirtschaft gewandert. Das bedeutet auch, dass Führungskräfte in Unternehmen, vor allem in Großkonzernen, im ordnungspolitischen Bereich eine wesentlich größere Verantwortung tragen als noch vor 30 Jahren.Wie beurteilen Sie die Rahmen-bedingungen für ein international tätiges Unternehmen wie Anton Paar hier in Österreich?SANTNER: Die Rahmenbedingun-gen sind hierzulande nach wie vor gut. Wir haben gut ausgebildete Men-schen, unsere HTL-Ingenieure sind ein Erfolgsmodell, das Sie auf der ganzen Welt kein zweites Mal fi nden. Wir haben auch im Entwicklungs- und Forschungsbereich extrem gut ausgebildete Mitarbeiter. Andernfalls könnten wir uns gegen Konkurren-ten, die zwanzigmal größer sind und ganz andere fi nanzielle Möglichkei-ten haben, auf dem Weltmarkt nicht behaupten. Wir sind technologisch und umsatzmäßig in gewissen Seg-menten weltweit die Nummer eins, weil wir einfach die besten Mitarbei-ter haben. Was in Österreich katast-rophal ist, ist die viel zu hohe Steuer-quote. Ich habe kein Problem damit, Steuern zu zahlen. Es kann aber nicht sein, dass wir das Staatsbudget allein durch Steuererhöhungen sanieren und seit 30 Jahren beim Umbau des Sozial- und Bildungssystems und der öffentlichen Verwaltung nichts Wir sind mit unse-rer Hochtechnologie in manchen Ländern einfach noch zu früh dran. FRIEDRICH SANTNERcorporAID MagazinMai | Juni 201Å07FRIEDRICH SANTNER ist seit 1997 Geschäftsführer der Anton Paar GmbH. Der promovierte Psychologe und Pädagoge stieg 1986 in das Familien-unternehmen ein und war zunächst als Marketing- und Vertriebsleiter und spä-ter als Geschäftsführer der deutschen Tochter Anton Paar Germany tätig. Der 56-jährige Oberösterreicher war zudem von 1999 bis 2005 Vorstands-vorsitzender von SOS-Kinderdorf Steiermark und ist seit 2011 Aufsichts-ratsvorsitzender der Styria Medien AG. corporAID Magazin Mai | Juni 2016Die Anton Paar GmbH entwickelt und produziert Präzisionslabor-geräte, Prozessmesstechnik sowie maßgeschneiderte Automations- und Robotiklösungen. 1922 als gleichnamiger Schlossereibetrieb von Anton Paar gegründet, ist die Unternehmensgruppe heute mit 25 Tochterunternehmen – unter anderem in Südafrika, Indien, Malay-sia und Brasilien – weltweit vertreten. Die Anton Paar GmbH ist seit 2003 im Eigentum der gemeinnützigen Santner Privatstiftung. Mit aktuell mehr als 2.300 Mitarbeitern erwirtschaftete das Unter-nehmen 2015 einen Umsatz von mehr als 264 Mio. Euro.weiterbringen. Diese Reformunfähig-keit macht mir Sorgen.Sie haben in den vergangenen zwei Dekaden das Unternehmen von 400 auf mehr als 2.300 Mitarbeiter ausgebaut. Wo lagen die größten Herausforderungen?SANTNER: Die größte Herausfor-derung ist die Integration neuer Mit-arbeiter. Letztere werden meist erst geholt, wenn es so viele Aufträge gibt, dass das bestehende Team ohne-hin schon völlig überar-beitet ist. Die Einarbei-tung und Schulung der neuen Mitarbeiter ver-langt ihnen ad hoc noch mehr ab. Nach Wachstums-phasen braucht ein Unterneh-men daher immer auch Ruhephasen, in denen sich wieder alles stabili-siert und man sich gemeinsam ein Bild macht zu Fragen wie „Wie arbei-ten wir?“ und „Wer sind wir?“. Wir hatten aber schon relativ lange keine Ruhephase mehr. Das vergangene Jahr war extrem stark, und auch dieses Jahr hat so begonnen. Im Moment haben wir wieder Probleme, mit Produktion und Auslieferung nachzukommen und stellen daher Perso-nal ein. Aber es ist eine wesentliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Integration nicht verges-sen wird, wenn es ruhi-ger wird. Sonst kippt irgendwann die Kultur des Unternehmens. Was ist die Basis dieses Erfolgs? SANTNER: Wir verfolgen keine ausdrücklichen Wachstumsziele. Wir investieren rund 20 Prozent unseres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Das ist das Drei- bis Vierfache dessen, was Mitbewerber investieren. Wachstum entsteht, wenn es uns gelingt, aus unseren Investments tolle Produkte hervor-gehen zu lassen. Ich kann den Erfolg unserer Produktentwicklungen aber nicht planen. Wir lassen uns durch Ideen treiben, entwickeln Produkte, von denen wir überzeugt sind, dass die Kunden diese brauchen. Ent-scheidend dafür ist die Auswahl der Mitarbeiter. Um als Unterneh-men innovativ zu sein, brauchen Sie Menschen, die von Natur aus neugie-rig sind, denn Innovation lässt sich nicht befehlen. Für mich ist ein inno-vativer Mensch einerseits jemand, der ein gerütteltes Maß unzufrieden ist. Wenn ich mich zum Beispiel am Flughafen zum Einchecken in einer langen Schlange anstellen muss, beginne ich spätestens nach 30 Sekunden darüber nachzuden-ken, wie man das effi zienter orga-nisieren könnte. Die zweite Voraus-setzung ist ein gesundes Maß an Verrücktheit. Wir achten auf eine gute Mischung aus neugierigen und verrückten Mitarbeitern.Was heißt Nachhaltigkeit für Sie? SANTNER: Nachhaltigkeit hat viele Dimensionen. Das beginnt im Personalwesen, wo wir uns darum bemühen, dass Mitarbeiter lange und gerne bei uns bleiben. Sie wer-den Nachhaltigkeit auch in unserer Infrastruktur wiederfi nden: Unsere Bauverantwortlichen achten darauf, dass jede mögliche Energie genutzt wird. Auf unserem Parkhaus ist eine 800-Quadratmeter-Photovol-taikanlage montiert, für die Warm-wasserbereitung wird die Abwärme der Kompressoren, die wir für die Druckluft brauchen, genutzt. Nach-haltigkeit habe dabei nicht ich ver-ordnet, sondern sie wird von den zuständigen Mitarbeitern betrieben, denen das ein Anliegen ist. Auch als wir ein Qualitäts-managementsystem eingeführt haben, war mir wichtig, dass nicht FOTOS: NINA BENNETT, ANTON PAAR GMBHPräzisionsmeisterDAS UNTERNEHMENGRAZER HEADQUARTER der Anton Paar GmbHWir achten auf eine gute Mischung aus neugierigen und ver-rückten Mitarbeitern. FRIEDRICH SANTNERANTON PAAR-CEO Friedrich Santner im Gespräch mit Bernhard WebercorporAID MagazinMai | Juni 201einzelne Wissende bis auf den letz-ten Beistrich festschreiben, wie die Unwissenden zu arbeiten haben. Stattdessen haben wir in die Aus-bildung der Mitarbeiter investiert, damit jeder von sich aus die Tätig-keit, die er macht, gut machen kann. Qualität ist nicht Thema für eine Qualitätsabteilung, sondern ist eine Grundhaltung, die alle Mitarbeiter im Haus haben müssen. Ähnlich ist es mit CSR. Ich möchte keine CSR-Abteilung, die dafür sorgt, dass sozial verträglich gehandelt wird. Auch das soll eine Grundhaltung im gesamten Unternehmen sein. Wie lässt sich eine gemeinsame Wertebasis weltweit erreichen?SANTNER: Der Unternehmens-zweck sollte für alle klar sein, aber wir haben kein Leitbild. Es ist viel zielführender, den Mitarbeitern ein konkretes Beispiel für ihr Handeln zu geben. Unsere Werte drehen sich um die Arbeitsgestaltung. Die Mit-arbeiter sollen einen festen Platz im Unternehmen einnehmen und an ihren Aufgaben wachsen können. Das setzt voraus, dass die Arbeit langfristig angelegt ist. In der heuti-gen Zeit, in der ohnehin alles fl uktu-iert, schadet es nicht, ein paar feste Ankerpunkte im Leben zu haben. Das weltweit umzusetzen, ist ein schwieriges Unterfangen. Im Sozial-bereich geht es etwa darum, dass die Mitarbeiter von ihrer Arbeit gut und vernünftig leben können. Da kann es auch sein, dass wir in einem Land wie Bosnien ein zusätzliches Gehalt als Prämie am Jahresende auszah-len, auch wenn unsere dortige Toch-ter noch Verluste macht.Klar ist aber, dass wir nicht die Kultur in anderen Ländern ver-ändern, sondern nur im Kleinen Akzente setzen können. Vor ein paar Jahren mussten wir in Mexiko einen neuen Geschäftsführer bestel-len. Mir wurde damals gesagt, eine Frau als Chefi n würde eine Revolu-tion auslösen. Ich habe die Revolu-tion riskiert, was letztendlich gut funktioniert hat. Oder unser neuer Japan-Geschäftsführer: Nach sechs Monaten im Headquarter ist er gut vorbereitet und weiß, wer wir sind und wie wir ticken. Und er kann unsere Firmengrundwerte umset-zen sowie das japanische Team dementsprechend leiten. Dabei ler-nen wir auch selbst viel. Machen Sie Ihren Tochterunter-nehmen Vorgaben zu CSR?SANTNER: Nein. CSR ist kein Wort in unserem Sprachgebrauch. Es geht um eine Grundhaltung, dass Men-schen aus Überzeugung handeln und nicht, weil sie irgendeine Kenn-zahl erreichen müssen. Es wird Jahre geben, in denen Mexiko sich sozial wenig engagieren kann, weil es allein darum geht, das eigene Business halbwegs erfolgreich zu gestalten, und dann wird es hoffent-lich auch Jahre geben, wo sie über den Tellerrand hinausschauen und etwas tun können. In Bosnien haben wir eine Kooperation mit der lokalen technischen Schule gestartet und so Schülern den Zugang zu Praktika eröffnet – das ist nicht nur eine sozi-ale Tat: So kommen wir zu guten Kandidaten. Andererseits ist es auch ein Beitrag, um das Ausbildungsni-veau in dieser Region zu heben. Sie fi nden bei uns viele soziale Projekte, die alle lokal getrieben sind. Förder-lich ist natürlich auch die Eigen-tümerstruktur: Eigentümerin der Anton Paar GmbH ist eine gemein-nützige Stiftung. Die Gewinne, die wir erwirtschaften, bleiben größten-teils im Unternehmen und werden reinvestiert. Einen Teil können wir gemäß des Stiftungszwecks in soziale Projekte fl ie-ßen lassen. Da wir sehr erfolgreich sind, geht es nicht darum, mehr oder weniger Gewinn zu erwirtschaften, son-dern darum, was wir mit dem Gewinn Sinnvolles machen können. Was macht Ihr Unternehmen zukunftsfähig?SANTNER: Der Anton Paar Slogan lautet „great people, great instru-ments“. Die Reihenfolge ist bewusst gewählt. Es kommt immer auf die Menschen an. Ich könnte die geni-alste Idee des Jahrtausends haben – wenn ich nicht die richtigen Mit-arbeiter habe, wird sie nicht zum Durchbruch kommen. Vielen Dank für das Gespräch.09Wir können nicht die Kultur in anderen Ländern verändern, sondern nur im Kleinen Akzente setzen.FRIEDRICH SANTNERcorporAID Magazin Mai | Juni 2016Next >