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corporAID MagazinP.B.B. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN 13Z039704 MAUSGABE 65 ◆ SEPTEMBER | OKTOBER 2016corporAID ist eine Initiative vonAbfallwirtschaft: Austro-Expertise in aller WeltEin neuer Marshallplan für AfrikaUnternehmer Klaus Pöttinger glaubt noch an den Standort ÖsterreichDAS ÖSTERREICHISCHE MAGAZIN FÜR WIRTSCHAFT, ENTWICKLUNG UND GLOBALE VERANTWORTUNGLeistbare urbane Unterkünfte sind knapp – ganz besonders in dynamisch wachsenden Ländern. Damit bis 2030 jeder ein ordentliches Dach über dem Kopf hat, suchen Stadtplaner weltweit nach den Wohnkonzepten der Zukunft. Wohnraum für MilliardenEine Initiative derwww.bluehendesoesterreich.atDas WirtschaftsBlatt war seit dem ersten corporAID Magazin Ende 2003 ein guter Partner, um Menschen aus der Wirtschaft über die Chancen der Globalisierung, die Ver-antwortung von Unternehmen und deren Rolle für weltweiten Wohlstand zu informieren. Schade, dass es Anfang Sep-tember eingestellt wird. Wenn Sie das corporAID Magazin bisher als Beilage des Wirt-schaftsblatts erhielten, können Sie es zukünftig sehr wahr-scheinlich über Die Presse und in jedem Fall im Direktversand beziehen. Mehr Information dazu unter abo@corporaid.at.In diesem Heft lesen Sie unter anderem, wie österrei-chische Firmen weltweit in der Abfallbeseitigung gefragt sind (ab Seite 20), bekommen Einblicke in neue Wege beim globalen Wohnungsbau (ab Seite 12) und erfahren, wie schwierig es ist, die Lieferkette eines Smartphones auf „fair“ umzustellen (ab Seite 30). Das große Interview diesmal mit dem oberösterreichischen Parade-Unternehmer Klaus Pöttinger – ab Seite 6.Eine anregende Lektüre!EditorialBERNHARD WEBERWirtschaft gestaltet Globalisierung.Und damit die Welt von morgen.Unternehmen schaffen Wohlstand.Und damit die Basis für Entwicklung.corporAID bewegt Unternehmen.Damit globale Armut von gestern wird.Unternehmen unterstützen corporAID:corporAID Magazin September | Oktober 201603IMPRESSUM Medieninhaber: ICEP Wirtschaft & Entwicklung GmbH, Möllwaldplatz 5, 1040 Wien, Tel. 01-9690254, office@corporaid.at, www.corporaid.atHerausgeber: Bernhard Weber | Chefredakteur: Christoph EderChef vom Dienst: Melanie Pölzinger | Grafik: Mihai M. MitreaRedaktion: Clemens Coudenhove-Kalergi, Katharina Kainz-Traxler, Ursula Weber, Gudrun ZimmerlAnzeigen: Nina Bennett, n.bennett@icep.atDruck: Styria GmbH & Co KG; Auflage: 40.000 StückAbobestellung: abo@corporaid.atBLATTLINIE Als von politischen Parteien, Interessensvertretungen und Institutionen un-abhängige Initiative vertritt corporAID die Auffassung, dass wirtschaftliche Entwicklung eine entscheidende Grundlage von Armutsminderung und daher Globalisierung eine Chance für globale Entwicklung ist. Das corporAID Magazin möchte für globale Armutsbe-kämpfung etwas bewegen, indem es fundiert und sachgerecht zentrale Fragestellungen der Globalisierung für Wirtschaft und Gesellschaft beleuchtet, zum Verstehen des Zusam-menwirkens von Wirtschaft und Entwicklung beiträgt und die mit einer nachhaltigen Ge-staltung der Globalisierung verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Chan-cen in den Horizont der österreichischen Wirtschaft rückt. corporAID bekennt sich zu den Grundsätzen der Meinungsfreiheit, der sozialen Gerechtigkeit, der öko-sozialen Markt-wirtschaft, des gegenseitigen Respekts sowie der Eigenverantwortung des Menschen.Die Ausgabe November | Dezember 2016 des corporAID Magazins erscheint voraussichtlich am 27.10.2016.EINE INITIATIVE VONGEFÖRDERT VONDIE ARA GRUPPE IN TREN- NUNG.Österreichs Verpackungsabfall lebt seit über 20 Jahren in Trennung. Immer und immer wieder werden damit wertvolle Packstoffe einer sinnvollen Verwertung zugeführt. Ökologisch. Effizient. Verantwortungsvoll.DIE TREIBENDE KRAFT IM RECYCLING. ara.recycling www.ara.at© 2016 KPMG Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, österreichisches Mitglied des KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative („KPMG Inter- national“), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.Mit Transparenz Vorsprung sichernNachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility sichtbar machen.KPMG unterstützt Sie bei Ihrer Nachhaltigkeits- strategie, sodass Sie der Dynamik der Märkte und der Regulierung standhalten können. Weitere Informationen finden Sie unter kpmg.atAnticipate tomorrow. Deliver today.InhaltINTERVIEW MIT KLAUS PÖTTINGER„Only the paranoid survive“LEITARTIKEL Soziale MärkteDIE AKTUELLE ZAHL 313EVENTS IM RÜCKBLICKTERMINE & NACHLESEglobal.businessGLOBALES WOHNENEine Milliarde neue HäuserENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEITPlan B für Afrikanew.businessTECHNOLOGIEEXPORTVom Abfall zur RessourceHIDDEN CHAMPIONKneten, Teilen, Formen und Backenethical.businessGOOD PRACTICE Wer Österreich bewegtVERANTWORTUNG IN DER LIEFERKETTEEin Handy ist keine Banane3ER GESPRÄCHLernen in größeren ZusammenhängenWIRTSCHAFTSPARTNERSCHAFT Andentourismus in neuer Qualität 6101026381112161920242728303336Alle Inhalte finden Sie auch auf www.corporAID.atEine Milliarde neue Häuser Nicht nur in Wien ist der Wohnungs-markt angespannt, sondern in vielen Städten auf der ganzen Welt. Sicht-bares Zeichen dafür sind die vielerorts wuchernden Slumsiedlungen mit heute fast einer Milliarde Bewohnern. Über ihre Wohnsituation und mög-liche Lösungen wird heuer besonders intensiv diskutiert.12TECHNOLOGIEEXPORTVom Abfall zur RessourceINTERVIEW MIT KLAUS PÖTTINGER „Only the paranoid survive“05corporAID Magazin September | Oktober 20163ER GESPRÄCHLernen in größeren Zusammenhängen6203306„Only the paranoid survive“InterviewKLAUS PÖTTINGER legte heuer nach 25 Jahren seine Funktion als Geschäftsführer der Pöttinger Landtechnik GmbH zurück und widmet sich nun voll und ganz der Pöttinger Entsorgungstech-nik GmbH. Der 58-jährige Oberösterreicher stieg 1985 nach dem Maschinenbaustudiumin Graz in den Familienbetrieb ein – seit 1991 ist er gemeinsam mit seinem Bruder Heinz geschäftsführender Gesellschafter der Muttergesellschaft Pöttinger Land-technik GmbH. Der Diplomingenieur absolvierte 2001 das OPM–Programm der Harvard Business School und war von 2004 bis 2013 Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich und Vizepräsi-dent der IV Österreich.CORPORAID: Welche Herausfor-derungen stellen sich für einen österreichischen Mittelständler im Zuge der Internationalisierung?PÖTTINGER: Wir sind ein in Ober-österreich stark verwurzeltes Unter-nehmen, wir waren jedoch nicht ganz sicher, ob unser kooperativer Stil in allen Ländern verstanden wird. Unser großer Stolz ist es, dass wir in den knapp 150 Jahren unseres Bestehens stets alle Schulden beglichen haben: Wir sind keinem Mitar-beiter, keinem Lieferan-ten, keiner Bank je etwas schuldig geblieben. Und auch unsere Kunden haben wir nie hängen lassen. Unsere entgegenkommende, koopera-tive Arbeitsweise ist aber in man-chen Kulturen geradezu eine Einla-dung zum Missbrauch. Heute kann ich dennoch sagen, dass wir damit fast überall Erfolg haben. Nur in den USA ist das etwas schwieriger – da sind die Haie so zahlreich, dass sie nicht auffallen. Die zweite Herausforderung, mit der wir bei unserer Internationa-lisierung konfrontiert waren, war die Suche nach Mitarbeitern an Produktionsstandorten außerhalb Österreichs, die dieses kooperative Gen mitbringen. Wir haben heute Werke in Deutschland und Tschechien. Vor allem in Tschechien muss-ten wir lernen, dass unser Eigenbild als nette Öster-reicher nicht FOTO: JULIA WENINGER (ICEP)07Für Klaus Pöttinger, Mitgesellschafter des oberösterreichischen Familienunternehmens Pöttinger, gehört – frei nach Intel-Gründer Andy Grove – eine gesunde Portion Paranoia zum Erfolg als Unternehmer. Im Interview spricht er über die Schwierigkeiten des Standorts Österreich und darüber, wie er mit innovativen Produkten eine Million Tonnen CO2 einsparen will. DAS GESPRÄCH FÜHRTE BERNHARD WEBER.unbedingt mit dem Fremdbild über-einstimmt. Rückblickend kann man sagen, dass die Herausforderung beim Aufbau dieses Tochterunter-nehmens vor allem in der eigenen Öffnung und kulturellen Weiterent-wicklung lag. Heute läuft es sehr gut dort: Wir haben 440 Mitarbeiter und konnten gerade die 10-jährige Ausbauphase abschließen.Sie haben 2015 einen Rekordum-satz hingelegt. Wie wird es mit dem Wachstum weiter gehen?PÖTTINGER: Wir machen derzeit aufgrund der Milch- und Getreide-preise eine Wachstumspause und werden heuer rund fünf Prozent Umsatz verlieren. Aber die Wachs-tumsaussichten sind intakt. Als Familienunternehmen bleibt man auf solidem Kurs – wir müssen nicht 20 Prozent wachsen, auch wenn wir uns natürlich freuen, wenn das gelingt. Wir bauen gerade ein großes zentrales Ersatzteillogis-tikcenter in Taufkirchen in unmit-telbarer Nähe zum Stammwerk, wo wir zudem 25 Mio. Euro in 12.000 Quadratmeter Hallenfläche für Pro-duktion und Logis-tik investieren. Wir bereiten uns also auf eine kontinuierliche Entwicklung vor. Wir sind quasi die letzten Mohikaner, die noch an den Standort Österreich glauben.Ist der Standort Österreich so schwierig?PÖTTINGER: Ich würde sagen, er ist schlechter als sein Ruf. Aber wir haben unsere Wurzeln hier in Grieskirchen. Wir sind schon knapp 150 Jahre im Geschäft, wir werden auch diese Regierung überleben. Ich möchte meine Kritik an zwei the paranoid survive“Punkten festmachen: Wir hatten noch nie in der Unternehmensge-schichte in Österreich höhere Lohn-kosten als in Deutschland. Gleich-zeitig hatten wir noch nie einen so überbordenden Staat, der alles besser weiß, der uns mit hunder-ten Auflagen überschüttet, selbst aber nicht einmal in der Lage ist, eine Wahl abzuhalten. Die Stand-ortqualität ist im freien Fall. Was in Österreich noch nicht begriffen wurde, ist, dass hohe Steuern letzt-lich zu Armut in der Bevölkerung führen. Wenn in der Schweiz ein Politiker eine Bankensteuer fordert, die von den Banken gezahlt wird, ohne dass die Einlagezinsen sinken und die Kreditzinsen steigen, lacht der ganze Saal. Denn die Schweizer wissen, dass Steuern Kosten sind, die zu höheren Preisen führen.Wie beurteilen Sie den österrei-chischen Arbeitsmarkt?PÖTTINGER: Leider wird das Bil-dungsniveau immer schlechter. Wir machen seit 50 Jahren die glei-chen Einstellungstests für Lehrlinge, und da sieht man, dass Fragen, die vor 30 Jahren mit links beantwortet wurden, heute nicht einmal verstanden werden. Gleichzeitig zeigt die heutige Generation ein unglaubliches Engagement und eine große Lernbereitschaft. Es gelingt uns sogar besser als in den 1970er Jahren, neue Mitarbei-ter für die Interessen des Unterneh-mens zu begeistern. Wir wurden gerade für das beste Ideenmanage-ment in Österreich ausgezeichnet. Jeder unserer Mitarbeiter macht im Schnitt vier Verbesserungsvor-schläge pro Jahr. Während Wir sind quasi die letzten Mohikaner, die noch an den Standort Österreich glauben.KLAUS PÖTTINGERcorporAID Magazin September | Oktober 2016▶Die Unternehmerfamilie Pöttinger ist seit mehr als 140 Jahren und in mittlerweile vierter Generation im Geschäft. 1871 im oberösterreichischen Grieskirchen gegründet, entwickelt und produziert die Pöttinger Landtechnik GmbH Landmaschinen aller Art. Mit Produktionsstätten in Österreich, Deutschland und Tsche-chien sowie Vertriebsniederlassungen in elf weiteren Ländern versteht sich Pöttinger heute als Global Player. Im Geschäftsjahr 2014/15 erwirtschaftete das Unternehmen mit knapp 1.650 Mitarbeitern einen Umsatz von 320 Mio. Euro. 2003 wurde zudem die Pöttinger Entsorgungstechnik als eigenständige Firma gegründet, die neben klassischen Abfallverwertungsmaschinen wie Presscontai-nern und Ballenpressen seit 2010 unter dem Namen MOBIGAS auch mobile und modulare Kleinbiogasanlagen produziert und vertreibt. Heute zählt die Entsorgungstechnik 150 Mitarbeiter und erwirtschaftete im vergangenen Jahr 18 Mio. Euro Umsatz. wir hier sprechen, werden zwei Vor-schläge umgesetzt, ohne dass das Management eingreift.Wo liegen die Wachstumsmärkte für Pöttinger Landtechnik?PÖTTINGER: Unsere Wachstums-regionen sind Europa und die Indus-trieregionen in Übersee – Austra-lien, Japan, Kanada, USA, China. Südamerika kennen wir, aber angesichts der Marktpotenziale anderer Länder, die wir noch sehr spärlich bearbeiten, haben wir uns entschlossen, an sich interes-sante Märkte wie Brasilien und Argentinien zurück-zustellen. In Afrika sind wir zwar dann und wann auf Messen, aber an sich ist der Kon-tinent für uns noch nicht interessant. Da fehlt es an Basisinfrastruktur und einem entsprechenden Mecha-nisierungsgrad. Wir liefern Geräte hinter dem Traktor – wenn kein Traktor da ist, können wir nichts liefern. Wir brauchen Märkte, nicht Länder. Wie sehen Sie das Thema Wirt-schaftswachstum ganz allgemein?PÖTTINGER: Ohne Wachstum gibt es weder eine soziale noch eine finanzielle oder ökologische Nachhaltigkeit. Heute macht sich in Europa eine Wachstumskritik breit. Da schlägt eine Ideologie durch, die ihre eigenen Erfolge mit Schuldgefühlen auflädt und die uns in unserem Den-ken stark behindert. Die Landwirtschaft hat im vergangenen Jahrhundert 3,5 Prozent Produktivitätswachs-tum pro Jahr aufgewiesen. Produk-tion und Produktivität werden in der Landwirtschaft weiter wachsen, da ist kein Ende in Sicht.Wie sieht nachhaltiges Wachstum bei Pöttinger aus? PÖTTINGER: Wir achten auf fünf Bereiche: Mitarbeiter, Kunden, Lie-feranten, Kapitalgeber und Umwelt. Die ersten vier Bereiche treten in der Regel für sich selbst ein. Bei der Umwelt ist das anders. Darum denken wir bei allen Entscheidun-gen systematisch mit, wie wir die Umweltbelastung reduzieren und die Energiebilanz verbessern kön-nen. Der Trend in der Landwirt-schaft geht in Richtung größere Geräte und damit höhere Leistung. Wir versuchen, die besten Maschi-nen mit höchster Energieeffizienz zu entwickeln. Dazu kommen The-men wie die Vermeidung der Tötung von Rehkitzen durch Erntemaschi-nen. Wir haben uns damit fast zehn Jahre auseinandergesetzt und sind jetzt dabei, einen Prototypen zu testen. Wir werden vom Markt kein Geld dafür bekommen, doch die Pro-blematik liegt uns am Herzen.Wie sehen Sie die Rolle von Unter-nehmen als Motor für Entwicklung?PÖTTINGER: Überall auf der Welt sind es die Unternehmer, die Inno-vation und Produktivität vorantrei-ben, indem sie sich im Wettbewerb am freien Markt durchsetzen und damit Wohlstand schaffen. Leider ist das der Entwicklungspolitik viel zu wenig bewusst. Warum hat die Entwicklungshilfe der vergan-genen Jahre so wenig zustande gebracht, außer dass sich die Eliten in den einzelnen Ländern durch Korruption bereichern konnten? Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Brandt-Kommission vor 40 Jahren die armen Länder für zu schwach erklärt hat, um am inter-nationalen Handel teilzunehmen. Was sie damit erreicht haben, ist, dass die Produktivitätsentwick-lung in all diesen Ländern zurück-gegangen ist: Länder, die sich dem Wettbewerb gestellt haben, haben sich nachweisbar viel besser ent-wickelt als abgeschottete Märkte. Wenn man den Kern der Verände-rung nicht in unternehmerischen Menschen und funktionierenden Geschäftsmodellen sieht, wird man nie eine selbsttragende Ent-wicklung induzieren. Das übliche Entwicklungsmodell ist ein mit unserem Schuldgefühl aufgepfropf-tes Gutmenschentum, das für die FOTOS: JULIA WENINGER (ICEP)corporAID Magazin September | Oktober 201Land- und AbfallwirtschaftsprofiDAS UNTERNEHMENOhne Wachstum gibt es weder eine soziale noch eine finanzielle oder ökologische Nachhaltigkeit.KLAUS PÖTTINGERDAS PÖTTINGER WERK in Grieskirchen.armen Menschen nichts bewirkt, sondern die Situation sogar noch schwieriger macht. Wir brauchen Handel und offene Märkte. Darum halte ich die Globalisierung für die große Chance unserer Generation, um auch die letzte Milliarde Men-schen aus der Armut zu befreien.Wie erklären Sie sich die ver-quere Sichtweise auf Unternehmen?PÖTTINGER: Die Rolle von Unter-nehmen wurde schon immer unter-schätzt, aber ich habe den Eindruck, dass es noch nie so krass war wie heute. Das hat viel damit zu tun, dass die Rolle von Unternehmen systematisch geschwächt wurde, weil sich die Politik gerne selbst als Treiber der Veränderung dar-stellt. Das hat auch mit dem Bild des Unternehmers in der Öffent-lichkeit zu tun. Im Fernsehkrimi etwa ist der Unternehmer stets der Täter: Unternehmer werden port-rätiert als Menschen, die aus Gier und Habsucht Miterben und Kon-kurrenten aus dem Weg schaffen. Dazu kommt eine große Ignoranz: Eine Umfrage in Oberösterreich ergab, dass die Leute denken, ein Unternehmen mache bei 100 Euro Umsatz rund 25 Euro Gewinn. Da man hier mindestens um den Fak-tor 10 daneben liegt, ist klar, warum die Bevölkerung nicht versteht, dass 100.000 Euro eine außerordentliche Belastung für ein Unternehmen sind. Nein, die denken: Der Pöttin-ger macht 300 Mio. Euro Umsatz, also 75 Mio. Gewinn, und dann jammert er beispielsweise wegen 100.000 Euro.corporAID Magazin September | Oktober 2016Sie haben sich mit 1. August aus der Geschäftsführung der Pöttinger Landtechnik zurückgezogen. Was waren die Beweggründe?PÖTTINGER: Ja, seit 1. August bin ich nur mehr Gesellschafter der Pöt-tinger Landtechnik GmbH – auch das ist eine Form der Nachhaltig-keit, nämlich an seine Nachfolge zu denken. Übergänge im Betrieb geschehen meistens zu spät – die-sen Fehler wollte ich vermeiden. Ich werde mich aber keinesfalls zur Ruhe setzen, sondern mich in Zukunft vor allem der MOBIGAS widmen, einem Spin-off unserer Entsorgungstechnik-Sparte, das mobile und modulare Biogasanla-gen herstellt. Diese Anlagen haben den Vorteil, dass sie sehr gut in bestehende regionale Kompostier-anlagen integriert werden können. Die Firma ist heute schon sehr international aufgestellt – wir ver-kaufen von China bis Brasilien und von Russland bis Singapur. Ich sehe ein enormes Wachstumspotenzial und damit auch weitreichende Mög-lichkeiten, etwas für die Umwelt zu tun. Ich möchte eine Million Tonnen an CO2-Emission einsparen. Dazu muss ich je nach Größe zwischen 100 und 150 Anlagen verkaufen. Damit rette ich nicht das Weltklima, aber ich leiste meinen Beitrag dazu. Was ist Ihr Zugang zu Corporate Social Responsibility?PÖTTINGER: Wir haben zum Thema CSR keinen Beauftragten im Unternehmen und auch keine eigene Strategie. Wir machen aber doch einiges, das Ausdruck unserer gesellschaftlichen Verantwortung ist, und unterstützen mit größeren und kleineren Sponsorings lokale Vereine und Initiativen. Ich persön-lich unterstütze auch das Institute of Science and Technology Aust-ria, weil ich Grundlagenforschung für wichtig halte. Ich habe mich auch vor ein paar Jahren gefragt, was ich für die Entwicklungshilfe machen soll. Einen Traktor oder einen Pflug zu schenken, erscheint mir sinnlos. Man muss die Men-schen in Entwicklungs-ländern dort abholen, wo sie stehen! Ich habe den Aufbau einer Feldschmiede in Tan-sania unterstützt. Der Start hat sehr lange gedau-ert, aber heute gibt es immerhin einen Meister und drei Lehrlinge, die eine eigene Schmiede betrei-ben. Das ist aber mein persönliches Engagement. Wie führt man ein Unternehmen in die Zukunft?PÖTTINGER: Andy Grove hat die-sen wunderbaren Satz geprägt: „Only the paranoid survive.“ Als Unternehmer muss man immer eine gewisse Paranoia haben. Was tut der Wettbewerb, was macht die-ser besser, an welchen Strategien arbeiten andere? Man darf sich aber nicht hinter dieser Paranoia verste-cken, sondern man muss sie als Teil seiner Aufgabe verstehen und mit Gelassenheit, Vertrauen und Humor zu seiner Balance finden. Vielen Dank für das Gespräch.09Wir brauchen Handel und offene Märkte. Darum halte ich die Globalisierung für die große Chance unserer Generation.KLAUS PÖTTINGERKLAUS PÖTTINGERim GesprächNext >