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Wohin mit dem Geschäft?corporAID MagazinP.B.B. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN 13Z039704 MAUSGABE 66 ◆ NOVEMBER | DEZEMBER 2016CORPORAID IST EINE INITIATIVE VONresponsAbility schafft Entwicklung durch InvestitionenJetzt auch in Österreich: Import Information HubSemperit-CEO Thomas Fahne-mann im InterviewDAS ÖSTERREICHISCHE MAGAZIN FÜR WIRTSCHAFT, ENTWICKLUNG UND GLOBALE VERANTWORTUNGDer globale Toilettenmangel betrifft jeden dritten Menschen. Das hat weit-reichende Folgen. Die gute Nachricht: Immer mehr Unternehmen erkennen das Geschäft mit dem Geschäft und suchen nach innovativen Lösungen. Wert zu wissen: Mehr Wirtschaft. Jede Woche in der „ Presse“. DiePresse.com - Wir schreiben seit 1848. Wir sehenWirtschaft vonallen Seiten.Sechzig, umgenau zu sein.Seit 13 Jahren informiert das corporAID Magazin zu Glo-balisierung, Wirtschaft und Entwicklung und hat sich in Österreich als Themenführer für globale Corporate Social Responsibility etabliert. Ich freue mich, dass wir mit der Tageszeitung DiePresse ab sofort noch mehr Kraft haben, um die Rolle von Unternehmen für die weltweite Schaffung von Wohlstand sichtbar zu machen und zu zeigen, wie nachhaltiges Wirtschaften einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit von Sozial- und Ökosystemen in Schwellen- und Entwicklungs-ländern leisten kann. In diesem Heft lesen Sie ab Seite 36, wie zwei steirische Unterneh-mer in Bosnien webbasierte Einkommensmöglichkeiten schaffen, ab Seite 12, wie der Import Information Hub Austria den Bedarf österreichischer Importeure gezielt mit jenen von Exporteuren weltweit mat-chen will, sowie ab Seite 18, mit welchen Lösungen einem der dringlichsten globalen Probleme, dem WC-Mangel, begegnet wird. Im großen Interview diesmal: Thomas Fahnemann, CEO von Semperit.Eine anregende Lektüre!EditorialBERNHARD WEBERWirtschaft gestaltet Globalisierung.Und damit die Welt von morgen.Unternehmen schaffen Wohlstand.Und damit die Basis für Entwicklung.corporAID bewegt Unternehmen.Damit globale Armut von gestern wird.Unternehmen unterstützen corporAID:corporAID Magazin November | Dezember 201603IMPRESSUM Medieninhaber: ICEP Wirtschaft & Entwicklung GmbH, Möllwaldplatz 5, 1040 Wien, Tel. 01-9690254, office@corporaid.at, www.corporaid.at, www.icep.atHerausgeber: Bernhard Weber | Chefredakteur: Christoph EderChef vom Dienst: Melanie Pölzinger | Grafik: Mihai M. MitreaRedaktion: Clemens Coudenhove-Kalergi, Katharina Kainz-Traxler, Sophie Langer-Hansel, Ursula Weber, Gudrun ZimmerlAnzeigen: Nina Bennett, n.bennett@icep.atDruck: Styria GmbH & Co KG; Auflage: 73.000 StückAbobestellung: abo@corporaid.atBLATTLINIE Als von politischen Parteien, Interessensvertretungen und Institutionen un-abhängige Initiative vertritt corporAID die Auffassung, dass wirtschaftliche Entwicklung eine entscheidende Grundlage von Armutsminderung und daher Globalisierung eine Chance für globale Entwicklung ist. Das corporAID Magazin möchte für globale Armutsbe-kämpfung etwas bewegen, indem es fundiert und sachgerecht zentrale Fragestellungen der Globalisierung für Wirtschaft und Gesellschaft beleuchtet, zum Verstehen des Zusam-menwirkens von Wirtschaft und Entwicklung beiträgt und die mit einer nachhaltigen Ge-staltung der Globalisierung verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Chan-cen in den Horizont der österreichischen Wirtschaft rückt. corporAID bekennt sich zu den Grundsätzen der Meinungsfreiheit, der sozialen Gerechtigkeit, der öko-sozialen Markt-wirtschaft, des gegenseitigen Respekts sowie der Eigenverantwortung des Menschen.Die corporAID Ausgabe Jänner | Feber 2017 erscheint am 22.12.2016 in der Tageszeitung DiePresse.GEFÖRDERT VONEINE INITIATIVE VONGRATIS WETTERSTATION bei Vertragsabschluss bis 31. 12. 2016Der HausMaster kann:Selbst erzeugten Strom speichernDer HausMaster kann:E-Auto aufladenDer HausMaster kann:Warmwasser für die ganze Familie erzeugenWien Energie, ein Partner der EnergieAllianz Austria. www.wienenergie.at/hausmasterMit HausMaster, dem cleveren Energieassistenten mit Photovoltaik-Anlage, Batterie, Elektroheiz-stab, E-Ladestation und Monitoring-Funktion, erzeugen und speichern Sie Energie – und nutzen sie dann, wenn Sie sie brauchen. Die zentrale Steuerung verbindet die einzelnen Komponenten und holt das Optimum für Ihren Haushalt heraus. Jetzt informieren: wienenergie.at/hausmaster SOLARSTROM ERZEUGEN, SPEICHERN, NUTZEN. DAS MACHT IN ZUKUNFT IHR SMARTES HAUSMASTER-PACKAGE VON WIEN ENERGIE:Photovoltaik-Anlage | Batterie | Elektroheizstab | E-Ladestation | Monitoring InhaltINTERVIEW MIT THOMAS FAHNEMANNVision statt KennzahlenLEITARTIKEL Von gesternDIE AKTUELLE ZAHL 3EVENTS IM RÜCKBLICKTERMINE & NACHLESEglobal.businessGLOBALE BESCHAFFUNGInformation als SchlüsselWESTBALKANSerbien setzt auf duale AusbildungSANITÄRKRISEEine Milliarde Freiluft-Hockernew.business GLOBALE ENTWICKLUNGWirtschaftstrend NachhaltigkeitDIE ENTWICKLERWohlstandsturboethical.businessGOOD PRACTICE Wer Österreich bewegtCSR-VISIONWarten auf GodotWIRTSCHAFTSPARTNERSCHAFT Gründerzentrum in Bosnien 6101034381112141821222629303236Ein Leben ohne ordentliches WC? Für ein Drittel der Menschheit ist das ganz normal. Der World Toilet Day am 19. November erinnert auch heuer wieder an den globalen Toilettenmangel und dessen weitreichende Folgen. Die gute Nachricht: Das Problem wird heute ernster genommen denn je, an neuen Lösungen für eine bessere Sanitärversorgung wird weltweit gearbeitet.18GLOBALE BESCHAFFUNGInformation als SchlüsselINTERVIEW MIT THOMAS FAHNEMANNVision stattKennzahlen05corporAID Magazin November | Dezember 2016DIE ENTWICKLERWohlstandsturboAlle Inhalte finden Sie auch auf www.corporAID.at2612606Vision statt KennzahlenInterviewTHOMAS FAHNEMANN ist seit 2011 Vorstandsvorsitzender der Semperit AG.Der 55-jährige Deutsche studierte Betriebswirtschaft in Mainz und durchlief ein Executive-MBA-Programm an der Northwestern University in Chicago. Fahnemann startete seine Berufslaufbahn bei Hoechst, wo er später Führungspositionen im In- und Ausland wahrnahm. 1998 wurde er COO der KoSa in Houston, Texas. 2003 kam er als CEO der Lenzing AG nach Österreich. Von 2009 bis 2010 übernahm er den Vorsitz im Vorstand der RHI AG. CORPORAID: Ist die Semperit als Global Player gut aufgestellt?FAHNEMANN: Wir sind in vielen Ländern mit einem Produktions-betrieb vertreten, in noch mehr Ländern mit einer Vertriebsor-ganisation. Zu einem globalen Unternehmen gehört aber auch ein entsprechend internationales Management – in Asien also asiati-sche Manager. Und auch im Head-quarter können wir von einer höhe-ren interkulturellen Vielfalt nur profitieren. Denn was macht ein glo-bales Unternehmen aus? Sehr stark, dass es weltweit seine Stakeholder und insbesondere seine Kunden in ihrem kulturellen Kontext abholt. Das muss sich auch im Manage-ment widerspiegeln, und hier haben wir einiges erreicht, sind aber noch nicht dort, wo wir sein wollen. Sie sind gerade dabei, in Malay-sien Ihre größte und modernste Fabrik für Sicherheitshandschuhe in Betrieb zu nehmen. In welche Rich-tung geht der Wachstumskurs?FAHNEMANN: Wir möch-ten auch in Zukunft in allen vier Geschäftsfeldern wach-sen. In jedem Segment FOTO: MIHAI M. MITREADie Semperit-Gruppe setzt für die Zukunft auf organisches Wachstum und Investitionen in eine nachhaltigere Kautschukgewinnung. Im Interview spricht Vorstandsvorsitzender Thomas Fahnemann über den Umgang mit NGO-Vorwürfen und darüber, wie Bevölkerungswachstum und Urbanisierung das Business beeinflussen. DAS GESPRÄCH FÜHRTE BERNHARD WEBER.– Handschuhe für Medizin und Industrie bei Sempermed, Förder-bänder bei Sempertrans, Schläuche bei Semperflex sowie Handläufe und Fensterprofile bei Semperform – ist das Ziel eine bedeutende Marktpo-sition. Unser Fokus ist dabei orga-nisches Wachstum: Wir investieren in allen Segmenten, was aber nicht heißt, dass wir nicht auch Gelegen-heiten zu Zukäufen nutzen. Regio-nal gesehen sind wir mit unserer Produktion in Asien gut vertreten. In einem nächsten logischen Schritt werden wir unsere Produktionsprä-senz in Nord- und Südamerika orga-nisch ausweiten. Unsere Marktent-wicklungsstrategie ist dabei relativ einfach und nicht sehr originell. Wir gehen zunächst mit dem Vertrieb in ein Land und schauen, wie sich der Markt entwickelt. Wenn er groß genug ist, ziehen wir mit der Pro-duktion nach. Da sind wir in Afrika noch nicht so weit. Wir haben zwar Kunden in Süd- und in Nordafrika, eine Produktionsstätte sehe ich dort im Moment aber nicht. Wie ist es, ein globales Unternehmen von Wien aus zu führen?FAHNEMANN: Auf der einen Seite ist es spannend und macht Spaß, gerade weil es so viele unterschied-liche Kulturen im Unternehmen gibt. Sie brauchen das jeweils passende Management in den Ländern und die richtige Kraftbalance zwischen Head-quarter und den einzelnen Standorten. Die Strategie wird in Wien bestimmt, aber wir delegieren sehr viel Verantwor-tung an die Länder und Business Units. Und zwar immer mehr: Heute statt Kennzahlenwerden sicherlich deutlich weniger Entscheidungen in Wien getroffen als das vielleicht noch vor fünf Jah-ren der Fall war. Das bedeutet auch, dass ich sehr viel unterwegs bin. Wie sehen Sie die heimische Standortpolitik?FAHNEMANN: Die Attraktivität des Standorts Österreich hat in den ver-gangenen Jahren eindeutig nachge-lassen, wir haben dennoch weiterhin auch in Österreich investiert. Öster-reich steht im internationalen Ver-gleich noch auf einem vernünftigen Niveau, aber wir müssen den Trend nach unten stoppen. Derzeit sind die Logistikkosten weltweit im Keller, und die Lohnkosten außerhalb Euro-pas noch klar günstiger. Aber das wird sich sicher ändern, so steigen die Kosten beispielsweise bereits in China. Langfristig macht es auch keinen Sinn, Güter um die halbe Welt zu schippern – die Industrie wird daher wieder zurück nach Europa kommen. Mit den aufwändigen Genehmigungsverfahren und den im Kern aus den 1960er Jahren stammenden Arbeitszeitre-gelungen ist Österreich dabei allerdings nicht sehr gut aufgestellt.Wie stehen Sie zur Globalisierungskritik? FAHNEMANN: Ich bin davon überzeugt, dass uns die Globalisierung viel gebracht hat und auch weiterhin bringen wird. Gleich-zeitig sind manche kritische Schlag-wörter zu den negativen Folgen nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Die Kunst liegt darin, diese durch-aus komplexen Sachverhalte besser zu erklären. Hier ist vor allem die Politik gefordert, ich will aber auch die Unternehmen nicht komplett aus der Verantwortung nehmen. Was macht ein globales Unternehmen aus? Sehr stark, dass es seine Kunden in ihrem kulturellen Kontext abholt.T. FAHNEMANNcorporAID Magazin November | Dezember 2016▶07Die Semperit AG Holding ist eine international ausgerichtete Unterneh-mensgruppe in der Kautschukindustrie. In den Sektoren Medizin (Semper-med) und Industrie (Semperflex, Sempertrans, Semperform) entwickelt, produziert und vertreibt sie weltweit hochspezialisierte Produkte aus Kaut-schuk, darunter Untersuchungs- und Operationshandschuhe, Hydraulik- und Industrieschläuche, Fördergurte, Rolltreppen-Handläufe, Bauprofile, Seilbahn-ringe und Produkte für den Eisenbahnoberbau. Heute beschäftigt die Semperit-Gruppe weltweit mehr als 7.000 Mitarbeiter, davon rund 4.000 in Asien und mehr als 800 an den österreichischen Standorten in Wien und Wimpassing. Zur Gruppe gehören 22 Produktionsstandorte sowie zahlreiche Vertriebs-niederlassungen in Europa, Asien, Australien und Amerika. Im Geschäftsjahr 2015 erwirtschaftete der Konzern einen Umsatz von 915 Mio. Euro.Fakt ist: Unter dem Strich hat gerade Österreich von der Globalisierung erheblich profitiert. Wie wirkt sich die Internationali-sierung auf das Semperit-Innovati-onszentrum in Wimpassing aus?FAHNEMANN: Unsere Interna-tionalisierung stellt Wimpassing als Innovationszentrum überhaupt nicht in Frage, sondern garantiert vielmehr dessen Zukunft. Dass die zentrale Forschung von Semperit in Österreich bleibt, hat viele Gründe. So können wir auf Vorstandsebene die Inno-vationsstrategie sehr unmittelbar vorantrei-ben und unser geistiges Eigentum besser schüt-zen. Die internationale Vernetzung unserer For-schung ist in den vergange-nen Jahren aber gewachsen: Heute beschäftigen wir auch in Tsche-chien, Polen und Malaysia eigene Forschungsteams. Einerseits geht es darum, den Kunden gut zu ver-stehen und Inputs aus den Märkten zu liefern. Zudem führen wir in sehr spezifischen Märkten für manche Produkte Anwendungstechnikprüf-verfahren vor Ort durch. Schließlich geht es auch darum, Produkte, die hier in Österreich entwickelt wur-den, an die Marktgegebenheiten in Schwellenländern anzupassen.Welche Megatrends sind für die Kautschukindustrie von Bedeutung?FAHNEMANN: Die für uns relevanten Megatrends sind Bevölkerungswachstum und Urbanisierung. Diese benötigen vor allem Infrastruktur – und darauf sind unsere Strategien abgestimmt. Unsere Herausforde-rung liegt darin, den Werkstoff Kaut-schuk oder Gummi in neuen Anwen-dungen einzusetzen, und zwar dort, wo wir dank unseres wachsenden Know-hows die Eigenschaften des Werkstoffs zur Geltung bringen und davon profitieren können, dass es sich um einen nachwachsenden Rohstoff handelt. So gesehen ist auch Nachhaltigkeit ein Zukunftsthema, das unsere Branche sehr beschäftigt. Es gibt keine Zertifizierungen für nachhaltige Kautschukgewinnung, daher fallen wir leider beispielsweise im Vergleich zur Holzindustrie noch weit zurück. Das liegt unter anderem daran, dass unser Umfeld deutlich schwieriger ist: Die Holzindustrie ist europäisch geprägt, unser Rohstoff kommt hingegen aus Südostasien, wo es kaum Plantagen, dafür aber hun-derttausende Kleinbauern gibt. Da kann ich nicht vom Büro in Europa aus bestimmen, was gemacht wird. Wir müssen uns aber in Richtung nachhaltiger Kautschukgewinnung bewegen, und zwar im Verbund mit den lokalen Bauern. Dieses Thema wollen wir als Semperit pushen. Gibt es für Semperit einen Busi-ness Case Nachhaltigkeit?FAHNEMANN: Wir müssen uns aus vielen Gründen mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Schon allein des-halb, weil es ab 2017 für Unterneh-men wie das unsere eine Berichts-pflicht gibt. Auch der Kapitalmarkt zeigt mehr und mehr Interesse an dem Thema. Vor allem aber denke ich, dass Nachhaltigkeit die richtige Art zu handeln ist. Den Business Case sehen wir darin, durch unser Nachhaltigkeitsprogramm über ein Differenzierungsmerkmal am Markt zu verfügen und gleichzeitig den Rohstoff- und Energieverbrauch zu senken. Klar ist, dass sich der ökonomische Benefit im Bereich der Nachhaltigkeit nicht so präzise aus-rechnen lässt wie bei einem Investiti-onsprojekt. Die Rechnungen, die wir aber auf einem hohen Level anstel-len, zeigen, dass es sich auf alle Fälle auszahlt. Konkret werden wir, auch wenn die Kundenforderungen in den vier Geschäftsbereichen sehr unter-schiedlich sind, unternehmensweite Standards festlegen und uns auch zertifizieren lassen. Welches sind die relevanten Benchmarks beim Nachhaltigkeits-management?FAHNEMANN: Beim Rohstoff- und Energieverbrauch gibt es klare Globaler Player in Sachen KautschukDAS UNTERNEHMENDie für uns relevanten Megatrends sind Bevölkerungswachstum und Urbanisierung.T. FAHNEMANNFORSCHUNGS- UND ENTWICKLUNGSZENTRUM der Semperit in WimpassingcorporAID Magazin November | Dezember 201608FOTOS: MIHAI M. MITREA, SEMPERITKennzahlen und darauf basierende Benchmarks, anhand derer man einzelne Werke vergleichen und sich mit der Gesamtindustrie mes-sen kann – hier lernt man sehr viel. Unser Nachhaltigkeitsprozess hat gezeigt, dass wir Daten transparen-ter machen müssen. Weitere nach-haltigkeitsrelevante Kennzahlen finden sich im Personalwesen und bei der Arbeitssicherheit. Viel wich-tiger als all diese Key Performance Indicators ist aber das Gesamtbild, die Vision, die unserer Nachhaltig-keitsstrategie zu Grunde liegt. Es wird immer Themen geben, wo wir uns verbessern müssen, aber es ist ein bisschen so wie beim Konzern-jahresbericht. Die Bilanz und die GuV-Rechnung sind wichtig und legen vieles offen, aber noch wich-tiger ist die Geschichte, die wir im vorderen Teil erzählen: Was wollen wir eigentlich erreichen? Wie sieht unsere Philosophie aus? Warum ent-scheiden wir so und nicht anders?Wie weit übernimmt Semperit in Ländern wie Malaysia oder Thai-land auch eine gesellschaftliche Verantwortung?FAHNEMANN: Wir sind im inter-nationalen Vergleich kein Riesen-unternehmen. Unsere soziale Ver-antwortung fokussiert daher auf unsere unmittelbare Nachbarschaft. An unserem Standort in Malaysia finanzieren wir eine Schule und ver-suchen, in Ansätzen ein duales Bil-dungssystem einzuführen, indem wir 50 jungen Menschen parallel zu ihrer Schulbildung eine praktische Berufsausbildung anbieten. Das ist natürlich nicht ganz selbstlos, denn das sind unsere potenziellen zukünftigen Mitarbeiter: Wir brau-chen dort Facharbeiter. In Indien haben wir andere, fundamentalere Themen als in Malaysia – da geht’s darum, dass die Kinder in den umliegenden Schulen mittags etwas zu Essen bekommen. Eine finnische NGO hat vor zwei Jahren die Arbeitsbedingungen bei Semperit in Thailand kritisiert und Sie damit in die Schlagzeilen gebracht. Was ist Ihr Learning im Umgang mit solchen Vorwürfen? FAHNEMANN: Ich finde es wichtig, dass man Missstände aufdeckt, aber manchmal vermisse ich ein wenig die Objektivität. Wir haben keine Kinderarbeit – Punkt. Ein weiterer Vorwurf lautete, wir hätten auslän-dischen Arbeitern die Pässe abge-nommen. Stimmt, aber nur für zwei Wochen, damit die Administration erledigt werden kann. Es ist schwie-rig, sich als Unternehmen gegen Vorwürfe zu wehren, die nur den opportunen Teil der Realität wider-spiegeln. Ich diskutiere gerne darü-ber, wie wir zum Beispiel in Malay-sia die Arbeitszeit der Gastarbeiter besser regeln können. Sollen wir uns an österreichische Standards oder an die lokalen Gesetze halten? Und wie können wir den Wünschen der Menschen entsprechen, die als Gastarbeiter in einem Jahr das Maxi-mum herausholen möchten und bei uns nicht arbeiten würden, wenn sie nur 40 Wochenstunden beschäf-tigt wären? Weil es hier keine ein-fache Lösung gibt, würde uns eine ernsthafte Auseinandersetzung weiterhelfen. Kampagnen wie jene der finnischen Organisation halte ich nicht für konstruktiv. Heute sind wir durch unser Nachhaltig-keitsmanagement und eine entspre-chende Zertifizierung gegen solche Vorwürfe besser gerüstet, weil wir diese durch entsprechende Doku-mentation rasch entkräften können und auch die Verantwortlich-keiten für diese Themen in der Organisationsstruk-tur klar geregelt sind.Was sagen Sie zum Ansehen von Managern?FAHNEMANN: Es gibt natürlich immer wieder Negativbeispiele. Das Pro-blem ist, dass diese verall-gemeinert werden. Dabei gibt es sehr viele sehr anständige Manager, die jeden Tag versuchen, das Beste für die Firma und für die Mitarbeiter zu leisten. Natürlich ist es wichtig, dass Fehler und unethisches Verhal-ten sichtbar gemacht werden – vor allem um daraus zu lernen–, aber das gilt für jede andere Zunft auch. Für meine Arbeit ist das gesell-schaftliche Ansehen nicht so ent-scheidend. Mir geht es nicht primär um das nächste Monatsergebnis, sondern darum, den langfristigen Erfolg von Semperit zu gewährleis-ten – von dem immerhin mehr als 7.000 Arbeitsplätze abhängen – und eine Atmosphäre und Kultur zu schaffen, in der Menschen sich ent-falten können. Das ist die Basis, um für die Zukunft gewappnet zu sein.Vielen Dank für das Gespräch.09Viel wichtiger als Key Perfor-mance Indicators ist die Vision, die unserer Nachhaltigkeitsstrate-gie zu Grunde liegt.T. FAHNEMANNTHOMAS FAHNEMANN im GesprächcorporAID Magazin November | Dezember 2016Next >